Von der Rückfahrt mit dem Bus von Nepalthok nach Banepa habe ich noch nicht berichtet: Schon nach zwei Kilometern hielten wir bei einer Quelle am Straßenrand an. Der Kalashi füllte erst mal 6 Liter Wasser direkt in den Kühler, anschließend tankte er zwei 20-Liter-Eimer voll, die er sorgsam hinter dem Fahrersitz verstaute. Ab hier war eine Bergstrecke mit einer Höhendifferenz von etwa 800m zu bewältigen. In diesem Augenblick hatte ich ernsthafte Zweifel, dass dieses alte Tata-Ungetüm auch nur die Hälfte davon schaffen könnte. Ich sollte mich täuschen: nicht einmal die 40 Liter Reserve wurden angetastet.
Ich irrte mich auch in einem anderen Punkt: Ich habe mir angewöhnt, darauf zu achten ob der Fahrer eine Uhr trägt. Wenn sie auch noch die korrekte Zeit anzeigt, haben wir es mit einem Rennfahrer zu tun, besonders, wenn er noch relativ jung ist. Andernfalls ist eine eher gemütliche Reise zu erwarten. Unser jugendlicher Fahrer trug eine Uhr und sie ging genau richtig und ich staunte, wie man mit so tiefer Ruhe so viel Zeit verstreichen lassen kann, ohne sich wesentlich weiter zu bewegen. Es ist kaum übertrieben, wenn ich sage, dass wir den Rest des Nachmittags in diesem Bummelbus verbrachten – auf einer Strecke von etwa 60km.
Die Belohnung bekamen wir aber in der Form des von mir schön erwähnten überwältigenden Blicks auf die Himalaya-Kette sobald wir Dulikhel erreicht hatten. Außerdem durften Anita und Christa auf ihrem Sitzplatz zwischenzeitlich einen vier Wochen alten Säugling in ihre Obhut nehmen während seine Mutter beschäftigt war, sich im Gedränge der stehenden Passagiere zu behaupten. Hier bekommt man öfter mal was in die Hand gedrückt, wenn man im Genuss eines Sitzplatzes ist. Den beiden hat es sichtlich gefallen.
Donnerstag, der 10. November war ein wichtiges Datum für unseren nepalischen Partner Swastha Chulo. Die Aufgaben, die Mamata und Bhola im SKM-Krankenhaus noch wahrgenommen hatten, nämlich die Finanzverwaltung und die Steuerung der Ofenbauer, wurden auf Anita übertragen. Damit ist Swastha Chulo jetzt in vollem Umfang für alle Aufgaben in Nepal verantwortlich. An der Sitzung im SKM-Krankenhaus nahmen Hein Stahl, der Projektleiter von Interplast für das SKM-Krankenhaus, Mamata, Bhola, Christa, Anita und ich teil. Nicht nur die Verantwortung, auch einen Wäschekorb voller Akten nahmen wir auf dem Rückweg nach Kathmandu mit.
Tags darauf, also am 11.11.11, nahm eine ordentliche Versammlung der Mitglieder von Swastha Chulo diese einschneidende Veränderung bestätigend zur Kenntnis. Die weltumspannende Zusammenarbeit der beiden Organisationen wurde symbolhaft durch eine Live-Schaltung per Skype nach München zu Katharina demonstriert. Allerdings musste die Kommunikation auf Grund der sparsamen Übertragungsqualität auf Winken und Hallo-Rufe beschränkt werden.
Heute hatte ich endlich mal Gelegenheit, zu Christas Haus in Dhadaghaun zu fahren. Seit ein paar Wochen wohnt dort eine Familie aus Nürnberg, Freunde von Katharinas Cousin. Sebastian ist Arzt und betreut während des mehrmonatigen Aufenthalts den Health Post des Dorfes, den Christa vor Jahren dort aufgebaut hat. Der Unterschied zwischen dem Leben in Deutschland und dem in einem abgelegenen Dorf in den Hügeln Nepals ist wirklich groß, aber Sebastian und Veronika und den beiden Kinder Luisa und Benedikt scheint die Umstellung schnell gelungen zu sein. Alle vier strahlen Zufriedenheit mit der neuen Situation aus. Katharina hatte den vieren ja Dhadaghaun empfohlen und ist deshalb auch besonders nervös, ob das auch wirklich funktioniert. Tut es!
Christa und ich hatten Platz in einem Microbus gefunden, mit dem ein Ärzteteam nach Dhadaghaun fuhr. Siddharta und seine Star-Operationen sind eine eigene Geschichte, die ich vielleicht beim nächsten Mal erzähle. Für heute will ich Euch nur noch mitteilen, dass die vier in Dhadaghaun von den Ärzten noch ein fünftes Familienmitglied mitgebracht bekamen: Betayo ist ein weiblicher Welpe, nur wenige Wochen alt, den Harry auf dem Müllhaufen gefunden hat und der jetzt in Dhadaghaun eine neues Rudel bekommt. Luisa hat sie sofort ins Herz geschlossen und wird sie vermutlich heute abend mit ins Bett nehmen wollen. Betayo heißt auf deutsch „gefunden“.