Heute morgen bin ich in die Stadt gefahren und habe nicht halb so lang gebraucht wie sonst. Entspanntes Dahinrollen auf leeren Straßen wo sich sonst ein lärmendes und stinkendes Emulgat aus Menschen und Blech zähflüssig durch Engstellen und über Schlaglöcher quält.
In der Zeitung kann man nachlesen, wo die Leute sind: Beim Krähen füttern. Ich hole ein wenig aus: Seit Montag ist Tihar, eines der wichtigsten Feste im Hindu-Jahresablauf. Jeder der fünf Tage hat sein eigenes Thema. Am ersten Tag werden die Krähen verehrt, indem man ihnen besonderes Futter anbietet. Krähen sind die Boten von Yama, dem Todesgott.
Am zweiten Tag werden die Hunde, Hüter des Hauses, verehrt, indem sie mit einer Halskette aus Blumen und einer Tika (Punkt auf der Stirn) geschmückt werden. Die Hunde interessiert allerdings viel mehr das besonders gute Futter, mit dem sie heute verwöhnt werden.
Heuer haben die Astrologen ausgerechnet, dass der erste und zweite Tag zusammenfallen. Daher werden heute morgen die Krähen gefüttert und abends die Hunde geehrt. Wenn ich heute abend Krähen mit Tika herumfliegen sehe, weiß ich, dass die Leute im Stress der Feiern durcheinander gekommen sind.
Der dritte Tag, Laxmi Puja, leitet den Höhepunkt von Tihar ein. Zu Ehren von Göttin Laxmi, Gemahlin von Vishnu und zuständig für Glück, Harmonie. Schönheit und Reichtum, werden überall Lichter aufgestellt und Altäre errichtet. Vom Altar führt eine symbolische Fußspur zur Stelle, wo die Wertsachen verwahrt werden, damit Laxmi dort für Vermehrung sorgen kann.
Am fünften Tag ehren Schwestern ihre Brüder und wünschen ihnen ein langes Leben. Ein schöner Tag für alle, die Schwestern haben, nicht so schön, wenn man keinen Bruder hat. Ich habe aber gehört, dass frau sich für diesen Tag auch so eine Art Leihbruder unter Verwandten oder Bekannten aussuchen kann. Wichtig ist der richtige Zeitpunkt der Tika-Vergabe an den Bruder. Das Nepal Calendar Determination Committee – das gibt es wirklich – hat für heuer den 28. Oktober, 11:55 Uhr errechnet. An diesem Tag gibt es auch große Festessen in der Familie mit allen möglichen speziellen Leckereien wie zum Beispiel Schmalzgebackenes. Das hat Reinhard wohl veranlasst, von Tihar als der nepalischen Kiada (für Ausländer: Kirchweih) zu sprechen.
Irgendwann dazwischen werden noch die Kühe und die Ochsen geehrt, vermutlich an Donnerstag. Wie das genau abläuft, versuche ich noch herauszufinden. Ich halte in den nächsten Tagen nach Rindern mit Tika und Halskette Ausschau.
In diesem Sinne: Happy Tihar und bis bald!