Anita und ich haben uns lange den Kopf zerbrochen, welches VDC* in Ramechhap** am besten geeignet sein könnte um dort unseren ersten Besuch abzustatten, Umfragen und ein Stakeholder Meeting zu organisieren und eventuell auch einen Water Boiling Test durchzuführen. Unsere Vereinbarung mit der lokalen Organisation REMREC umfasst ja immerhin 11 VDCs in Ramechhap und 7 in Dolakha. Da der Field Visit von Julia und Marcus wegen Regen sehr kurz ausgefallen ist, haben wir bisher nur wenig Informationen und Ansprechpartner vor Ort.
Zu diesem Zeitpunkt gesellte sich Anitas Vater zu uns, ein rüstiger alter Herr und würdiger Brahmane. Mit einem Augenzwinkern stellte er die Frage, warum wir denn unbedingt in so entlegene Dörfer gehen wollten. Er wüsste, dass in Gegend, in der er geboren sei, ebenfalls Bedarf bestehe und das sei wesentlich näher, nämlich auf dem Weg nach Ramechhap.
Tatsächlich sind Sarasyunkark, der Geburtort, und Saramthali und Birtadeurali***, in denen Herr Badal ebenfalls gut bekannt ist, nur etwa drei Autostunden von Kathmandu entfernt und über eine der wenigen einigermaßen gut ausgebauten Straßen Nepals erreichbar. Außerdem bekommen wir über die Kontakte von Anitas Vater guten Zugang zur Bevölkerung und Personen, die uns bei der Organisation unserer Vorhaben behilflich sein können.
Schließlich sahen wir also ein, dass diese Umstände vor allem in der Startphase des CO2-Projekts eine große Erleichterung bedeuten. Als dann ein Anruf bei Gokul Gautam, unserem Ansprechpartner bei REMREC, grünes Licht auch für diese VDCs ergab, fiel die Entscheidung nicht mehr schwer. Nach dem Fest Tihar, also Ende Oktober werden Kedar (Anitas Mann), Anita und ich dorthin einen Ausflug unternehmen.
Die heiße Phase von Tihar dauert von nächstem Mittwoch bis Samstag. In diesem Zeitraum wird sich hier außer Feierlichkeiten nicht viel bewegen. Entsprechend werden auch meine Aktivitäten in diesem Zeitraum vorwiegend touristischer Art sein.
Heute habe ich mir einen Besuch im SKM Krankenhaus gegönnt um mit Hein und Bhola zu sprechen. Es ist immer schön, mal aus dem Hexenkessel von Kathmandu raus zu kommen. Diesmal machten die üppige Vegetation den Ausflug zu einem besonderen Erlebnis. Auf vielen Feldern wird gerade geerntet, direkt daneben stehen noch Felder hellgrün leuchtend in vollem Saft. Rotgekleidete Newar-Frauen legen die gelbbraunen Halme in Büscheln zum Trocknen aus, was ein regelmäßiges Muster ähnlich wie ein Schachbrett ergibt. An anderen Stellen stehen schon die ordentlich gebundenen Garben zum Abtransport bereit. Ein Bild voller Ruhe und Frieden.
Aber lassen wir uns nicht täuschen: In der Zeitung sind heute die neuen Ergebnisse des Nepal Living Standard Survey (NLSS) veröffentlicht worden: 25,2% aller Nepali leben unter der Armutsgrenze. In der Region Far West, der entlegensten Ecke des Landes, sind es sogar über 45%. Der NLSS definiert die Armutsgrenze derzeit bei einem Einkommen von 14430 Rupien, das sind etwa 140 Euro – pro Jahr! Zu jeder schlechten Nachricht gibt es auch eine gute: Vor sieben Jahren, beim letzten Survey, lebten noch fast 31% der Nepali unter der Armutsgrenze.
*ein VDC (Village Development Committee) ist die kleinste Verwaltungseinheit in Nepal und umfasst jeweils ca. 10 Dörfer. Ein VDC hat normalerweise ein paar 100 bis gut 1000 Haushalte.
**Ramechhap ist ein Distrikt östlich von Kathmandu. Nepal hat 75 Distrikte, die mit unseren Regierungsbezirken vergleichbar sind.
***Diese drei VDCs liegen im Distrikt Kavre-Palanchok, der zwischen Kathmandu und Ramechhap liegt. Auf den Seiten http://en.wikipedia.org/wiki/Districts_of_Nepal kann man sich über Distrikte und VDCs informieren (Kavre-Palanchok gehört zur Bagmati Zone, Ramechhap und Dolakha zur Janakpur Zone).