Die nationale Parlamentswahl findet in Nepal am 19. Nov statt. Das klingt zunächst wie eine ganz normale Nachricht. Aber in Nepal ist eben vieles nicht normal. Die noch junge Demokratie kämpft mit vielen Stolpersteinen und kann sich irgendwie noch nicht so ganz richtig demokratisch präsentieren.
Nun hat die jetzige Regierung erst mal vier offizielle Feiertage erklärt, damit jeder Bürger die Möglichkeit hat in seinen Heimatort zu reisen, um seine Stimme abzugeben. Es wird Wahlkampf gemacht auf allen Fronten. Die Lautsprecherautos die durch die Straßen rasen um die Einladung zu Wahlveranstaltungen rauszuschreien werden nach zwei Tagen Gewohnheit und niemand schaut sich mehr groß um wenn wieder so eine plärrende Kiste verbeikommt. Die Fähnchen die viele LKWs Busse und auch Privatautos schmücken zeigen die jeweilige Gesinnung der Fahrer.
Im Fernsehen gibt es ganz interessante Wahlwerbung, nicht für einzelne Parteien, sondern für den Ablauf und die Erklärung, wie man alles machen muß. Da stehen ordentliche Schlangen von Menschen (gekleidet wie in den Dörfern) vor den Ausgabetischen der Wahlzettel, und eine wunderschöne Frau, gekleidet in einem glitzernden Sari schwebt singend durch die Reihen und führt, besonders die Männer, wie eine Fee, in die Wahlkabine und zeigt dass man Kreuze machen muß. Wenn das nicht einladend wirkt…. (die werden wahrscheinlich enttäuscht werden)
Die einzelnen Parteien haben sich Symbole ausgedacht als Zeichen , weil ja immer noch ein hoher Prozentsatz der Erwachsenen Analphabeten sind, und die sich deshalb an den einfachen Zeichen wie Sonne oder Hammer und Sichel, orientieren müssen. Es gibt also die Kuh Partei, die Trommel Partei die Partei mit dem Pflug und viele mehr.
Insgesamt sind über 120 Parteien zugelassen zur Wahl und aus diesen sind 33 Parteien gegen die Wahl, oder besser gesagt gegen die Wahl zum jetzigen Zeitpunkt. Angeführt werden sie von einer abgespaltenen Gruppe der Kommunisten-Maoisten. Und diese Gruppe macht nun das Leben in Nepal besonders schwer. Seit Montag (11.11.) haben die einen 10 tägigen Generalstreik ausgerufen. Am ersten Tag wurden auch die Streikaufrufe weitgehend befolgt, Geschäfte wurden nicht geöffnet und Fahrzeuge wurden nicht bewegt, Ausnahmen waren Krankenwagen , Trinkwassertanker und Touristenbusse. Am Nachmittag aber schon lockerte sich die Situation und einige mutige Taxen fuhren wieder und auch die kleinen Tuktuks nahmen ihre Arbeit wieder auf. Das ärgerte die Streik -Organisierer natürlich und es wurden mehrere Busse und Taxen aufgebrannt. Aber es wurde klar die Menschen machen irgendwie nicht mit, so wurde der Streik teilweise zurückgenommen und auf einen Bestreikung des Öffentlichen Verkehrs reduziert. Das hat aber besonders in Kathmandu große Auswirkung weil die Busse, Minibusse, Tuktuk usw, besonders zu Arbeitszeiten rappelvoll sind und die Menschen auf diese Transportmittel angewiesen sind. Wieder gab es mutige Fahrer die den Streik durchbrechen wollten, aber nun wurden auch die Antworten aggressiver, so wurden an mehreren Stellen in Kathmandu Benzinbomben in voll besetzte fahrende Busse geworfen und es gab viele Verletzte z.T. mit schweren Verbrennungen.
Die Stimmung ist inzwischen sehr angespannt, Die Regierung will alles daran setzten die Wahl stattfinden zu lassen, und die 33 Parteien Allianz versucht alles um den Termin platzen zu lassen. Ein hohes Aufkommen von Sicherheitskräften ist in der Stadt zu verzeichnen. Sie haben sogar die Verkehrspolizisten in Sicherheits- Uniformen gestreckt und lassen den Verkehr von motivierten Volunteeren regeln. Es mehren sich die Meldungen von aufgefundenen Sprengkörpern. Manchmal sind es Attrappen aber das weiß man ja nicht immer gleich. Der Wagen des Bombenentschärfungs Team der Armee gehört inzwischen zum Stadtbild dazu und die Nachrichten verbreiten sich in Windeseile wenn wieder irgendwo eine Bombe aufgetaucht ist. Meist sind das selbst gebastelte Bomben, Druckkochtopfe mit Nägeln oder Scherben gefüllt die mit einem Zünder versehen werden. Diese Bomben haben natürlich keine große Reichweite aber da sie immer an belebten Plätzen hinterlegt werden sind doch immer viele Verletzte zu beklagen wenn es zu einer Explosion kommt. Dem Team der Spengmeister kann man im gebührenden Abstand zuschauen, da wird nicht etwa ein Stadtvirtel abgesperrt oder evakuiert, sondern man geht einfach etwas zurück und beobachtet die Arbeit . Meist wird die „Bombe“ kontrolliert gesprengt.
Ich kenne das alles aus der Zeit des Bürgerkrieges in Nepal, und doch bin ich jetzt da ich mehr in der Stadt unterwegs bin, viel näher dran als damals. Die Gelassenheit der Menschen ist unglaublich, jeder geht seinem normalen Tagesgeschäft nach und ergibt sich der Situation mit hinduistischem Gleichmut. Aber was können sie auch anderes machen. Ich kann zum Glück die meisten Sachen zu Fuß erledigen, aber wenn ich mit Bus oder Tuktuk fahren muß, steige ich schon mit einem komischen Gefühl ein.
Für die Arbeit im Chulo Büro bedeutet das bei vielen Dingen „wird nach der Wahl erledigt“ „machen wir nach der Wahl“ usw. Deshalb habe ich auch meine Reise nach Gulmi auf „nach der Wahl“ verlegt, und hoffe dass dann alle wieder schnell zur Normalität zurück finden werden. Man kann jetzt nur die Büroarbeiten machen und die theoretischen Dinge erledigen. Aber viele Menschen machen einfach frei und freuen sich über die zusätzlichen Feiertage.