Äthiopien-Tagebuch

Wie befürchtet war die Verbindung ins Internet aus Alem Katema heraus schwierig. Genauer gesagt: Wir hatten lange Zeit keine. Als dann Johannes nach knapp 3 Wochen einen Surfstick mitbrachte, reicht dessen Performance gerade mal dafür, einen Blick in die E-mails zu werfen. An Einträge in den Blog oder gar die Übertragung von Bildern war nicht zu denken. Wie versprochen, habe ich jedoch unsere Aktivitäten gewissenhaft aufgezeichnet und stelle sie nun in Form eines Tagebuchs am Stück ein.

Eigentlich wollte ich den Blog direkt nach unserer Ankunft in Addis Ababa füllen. Leider hat aber ein Bagger das Internetkabel nach Bole gekappt. Das ist der Stadtteil, in dem wir wohnen. Und wieder vergeht ein Tag, bis das Kabel geflickt ist …

So ist das eben in Ländern wie diesem. Viel Spaß beim Lesen.

100 km/Tag

Am 15. September 2013 in Addis Ababa

Der Plan ist: Wir mieten ein Auto und lassen uns und das Gepäck nach Alem Katema fahren. Das dauert etwa 4 bis 5 Stunden. David hat zugesagt, uns ein Auto mit Fahrer zu organisieren. Es soll um 10 Uhr morgens losgehen. Anscheinend ist es aber nicht so einfach, jemanden zu finden, der uns nach Alem Katema bringt und noch am selben Tag wieder zurück fährt – schließlich wollen wir das Auto ja nur für einen Tag bezahlen. Die Verhandlungen ziehen sich. Es ist fast 2 Uhr, als wir endlich mit einem kleinen Geländewagen (Terios) aufbrechen.

Noch in der Stadt hören wir aus Richtung des Vorderwagens rumpelnde Geräusche. Wir halten an und rufen den Vermieter an, der nach etwa einer halben Stunde zusammen mit zwei Freunden bei uns eintrifft. Einer davon sagt, er sei Mechaniker. Er bewegt das Auto 50m, lauscht auf das Geräusch und sagt „no problem“. Der Vermieter schaut uns tief in die Augen und versichert uns eindringlich, dass das Auto vollständig und 100-prozentig in Ordnung wäre.

Zur Sicherheit fahren wir zu einer Straßenwerkstatt und lassen die Vorderachse abschmieren. Außerdem wird in alle vorhandenen Öffnungen Öl eingefüllt. Das muss doch helfen. So starten wir, diesmal mit dem „Mechaniker“ als Fahrer, einen zweiten Versuch. Das Geräusch ist weiterhin da, unsere Maximalgeschwindigkeit liegt bei 50kmh und bergauf kriechen wir nur noch. So kommen wir etwa 25 km weit. Dann gibt der Vorderwagen ein schepperndes Geräusch von sich und die Räder blockieren.

Wieder wird der Vermieter angerufen, der auch prompt nach einer Stunde, begleitet von zwei Freunden, einer davon Mechaniker, eintrifft. Der neue Mechaniker verschwindet unter dem Auto und macht sich mit Eifer an die Arbeit. Das folgende Spiel wiederholt sich nun einig Male: Schrauben unter dem Auto, dann ein Fahrversuch, der mit einem lauten Krach und blockierenden Rädern endet, gefolgt von der Aussage „no problem“. Allmählich wird es dunkel und auch ziemlich kühl. Wir sind auf 3000m Höhe. Schließlich ringen die vier sich doch zu der Aussage „maybe there is a problem“ durch.

Christoph, Katharina und ich steigen in das Auto um, das die 3 Freunde hergebracht hat und lassen uns im Schneckentempo nach Addis zurück transportieren. Die alte Klapperkiste droht unter dem Gewicht von vier Personen mit Gepäck zusammenzubrechen. An jedem Speedbreaker wird angehalten und vorsichtigst übergesetzt. Plötzlich überholt uns der Terios laut klappernd und mit aufheulenden Motor. Der Mechaniker hat es doch noch geschafft, das Fahrzeug flott zu machen. Jetzt bemühen sie sich, im ersten Gang mit Vollgas irgendwie Addis zu erreichen. Am Ende des Tages sind wir wieder dort wo wir angefangen haben.

Am nächsten Vormittag besorgt uns David ein neues Fahrzeug. Sowohl Fahrer als auch Fahrzeug sind etwas betagt. Das hindert die beiden aber nicht daran, äußerst zügig über die Schotterpiste nach Alem Katema zu brettern, die übrigens in überraschend gutem Zustand ist am Ende der Regenzeit. Der Fahrer ist offensichtlich bemüht, noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück auf der Teerstraße zu sein.
Um vier Uhr sind wir in Alem Katema, werden unverzüglich ausgeladen, dann sind Auto und Fahrer auch schon wieder auf dem Rückweg. Für die Strecke von 200 km haben wir zwei Tage gebraucht. Es wird Zeit, etwas zu beschleunigen.

Noch am Abend treffen wir Dessalegn, Lehrer und Mitglied des Kommittees der Vaterstetten-Partnerschaft und machen Pläne für die nächsten Tage.

Orientierungstage

Unser erster Weg am nächsten Morgen führt zum Almaz Böhm Technical and Vocational Training Centre, einer Art Berufsschule mit verschiedenen technischen Zweigen. Hier wollen wir die Formen für die Ziegel bauen lassen. Bis zum Ende des Tages sind sie fertig – mit „ein wenig“ Unterstützung von Christoph. Bei der Energiebehörde im Agricultural and Energy Office werden wir freudig von Tewodros begrüßt. Er erinnert sich genau an unseren Besuch im Februar und weiß auch, dass wir damals unsere Rückkehr für September angekündigt haben. Nun sind wir tatsächlich gekommen und er findet das sensationell, das wäre eben „German culture“. Er holt er seinen Chef und einen Assistenten herbei. Sie sollen uns in den nächsten Wochen unterstützen. Wir können unsere Ofenwerkstatt auf dem Gelände der Energiebehörde einrichten und bekommen Hilfe bei der Materialbeschaffung.

Tags darauf besuchen wir die Töpferei, die etwa eine halbe Stunde oberhalb der Stadt liegt. Zwei Frauen sind dort mit der Herstellung von kleinen Holzkohleöfchen beschäftigt. Eine davon gibt uns auch ohne gemeinsame Sprache bereitwillig Auskunft über die Materialien mit denen sie arbeitet und wo sie diese herbekommt. Mit Händen und Füßen kann man sich auch verständigen. Am Nachmittag lassen wir uns eine Lehmgrube unterhalb der Stadt zeigen und organisieren gleich Träger, die uns zwei Säcke davon ins Energy Office schaffen – 50 Birr.

Donnerstag: Ayenachew, der Lehmträger von gestern hat die Halle, in der wir Steine und Öfen machen wollen, ordentlich gesäubert, was ihm wieder 70 Birr einbringt. Wir organisieren ein Treffen mit der Töpferin, die uns gestern so bereitwillig geholfen hat und interviewen sie mit Hilfe von Abebaw, unserem Organisator und Übersetzer, noch mal intensiver. Sie erzählt von mehreren Lehmsorten in der Umgebung und wird uns morgen früh von jeder Sorte ein paar Kilo ins Energy Office bringen.

Katharina und ich besuchen Dr. Ayele, den Chefarzt im Krankenhaus und vereinbaren, dass wir mit ihm zusammenarbeiten wollen. Interessant ist für den Ofenbau die Outreach-Strukur des Krankenhauses. Es betreibt Außenstationen in den umgebenden Dörfern, die regelmäßig besucht werden. Dort findet auch Gesundheitsaufklärung statt, mit der wir uns ergänzen können.

In der Zwischenzeit hat Christoph im Energy Office die ersten Testfelder, d.h. Lehmproben, hergestellt. Wir wollen die Mischung finden, die die größte Festigkeit bei minimaler Rissbildung aufweist. Morgen machen wir mit den anderen Lehmsorten mehr.

Wir nehmen Tempo auf …

Freitag: Der Vormittag vergeht mit der Produktion weiterer Testfelder. Wir haben Lehm aus vier Gruben, den wir mit verschiedenen Anteilen von Sand und mit oder ohne Zugabe von Kuhdung und Stroh zusammenkneten. Insgesamt formen wir 27 kleine Lehmtellerchen von 2cm Stärke, die jetzt die Fläche vor der Werkhalle bevölkern. Wenn ein Regenschauer droht, wetzen alle los und bringen sie schnell unterm Dach in Sicherheit. Wenn die Sonne rauskommt, werden sie wieder draußen ausgebreitet. Das Wetter ist recht wechselhaft um diese Jahreszeit. Unsere Aktion lockt viele Leute an. Katharina nimmt diese Gelegenheit wahr, ihnen das Bild vom Prototypen und das Ofenbau-Video zu zeigen. Allmählich verstehen die Leute, was wir vorhaben. Bilder, bewegt oder stehend, sind das beste Kommunikationsmittel.

Ayenachew schaufelt eine Grube, in der wir ab morgen den Lehm für die Ziegelproduktion anmischen wollen. Ein ungelernter Hilfsarbeiter bekommt etwa 50 Birr am Tag wenn man ihn über mehrere Tage beschäftigt, das sind etwa 2 Euro. Ayenachew ist sehr anstellig und darf daher die nächsten Tage für uns arbeiten.

Neben der Werkhalle ist die Cafeteria des Energy Office. Dort wird Bunna, so heißt der Kaffe in Äthiopien, auf dem kleinen Holzkohleofen frisch geröstet, im Mörser zermahlen und dann sorgfältig aufgebrüht. Was dabei herauskommt, ist mit nichts zu vergleichen, was man bei uns zu trinken bekommt. Die Bunna-Zeremonie ist äthiopische Tradition und wird überall und gerne zelebriert. In der Cafeteria  wird in den folgenden Tagen unser Frühstücksplatz und unsere Ruhezone sein. Heute plaudern mit Tewodros 2 (der Assistent von Tewodros) und Abebaw über das Zementofen-Projekt von Menschen für Menschen, Löhne, Kosten und vieles andere. So lernen wir eine Menge über Land und Leute und die Randbedingungen für das Ofenprojekt.

Die Ziegelfabrik

Samstags ist in Alem Katema Markttag. Hunderte von Bauern, Handwerker und Händler aus der Umgebung strömen in die Stadt und bieten Waren und Dienstleistungen an. Vorwiegend dienen Esel als Transportmittel, deshalb sind auch sie zahlreich vertreten. Ein findiger Einheimischer ist auf die Idee gekommen, ein umzäuntes Areal neben dem Markt bereitzustellen, in dem man seinen Esel für einen Birr für den Tag abstellen kann. Das Tier ist hier gut aufgehoben, kann nicht weglaufen und der Bauer oder Händler kann sich voll auf seinen Marktstand konzentrieren. Der Esel-Parkplatz ist ein echter Renner.

Wir nutzen die Gelegenheit, günstig unsere Essensvorräte aufzufüllen und sind für ein paar Stunden die Hauptattraktion. Ständig von einer Traube Menschen umgeben gehen wir von Stand zu Stand. Abebew übersetzt und sorgt dafür, dass wir normale Preise bekommen. Christoph lässt sich für 100 Birr ein Paar Sandalen aus Autoreifen anfertigen und die Umstehenden sind total aus dem Häuschen, dass ein Weißer sich so einen Arme-Leute-Schuh anschafft.

Für den Nachmittag haben wir uns vorgenommen, an Hand der Testfelder die geeignetste Lehmgrube und die beste Mischung zu bestimmen. Dann wollen wir im Energy Office den Lehm für den ersten Ofen anmischen. Wir haben Glück: der beste Lehm kommt aus der an nächsten gelegenen Grube, die nur etwa eine Viertelstunde entfernt ist. Jetzt ist es schon Samstag nachmittag, alles bereitet sich auf den Sonntag vor, der hier als Ruhetag sehr ernst genommen wird. Trotzdem gelingt es uns, auf der Straße vier junge Männer anzuheuern, die uns für 50 Birr pro Person jeweils 25 kg Lehm, aus der Grube holen und ins Energy Office schaffen. Sand liegt dort bereits. Also setzen wir die erste Mischung an und lassen sie über Nacht ruhen.

Dann müssen wir uns beeilen, ins Guesthouse zurück zu kommen. Heute abend haben wir Gäste: Josef, Tewodros 2, Abebaw uns sein Bruder sind zum Spätzleessen eingeladen. Sie treffen pünktlich(!) ein und dürfen deshalb noch bei der Spätzleproduktion mitwirken. Möglicherweise sind sie die ersten Äthiopier, die an einem Spätzlehobel ausgebildet wurden. Christoph als Schwabe hat „natürlich“ auf allen seinen Reisen dieses Utensil dabei.

Punkt 9 Uhr am Sonntagmorgen finden wir unsere kleine Arbeitsmannschaft im Energy Office vor. Wie vereinbart ist auch Zelalem, der Kuhdung-Lieferant, eingetroffen, so dass wir jetzt die Lehmmischung fertig machen und die ersten Steine produzieren können. Das Mischen in der Grube ist richtige Schwerarbeit. Die zwei Burschen, die das übernommen haben, müssen ordentlich schuften. Wir überlegen, ob wir vielleicht für das Mischen größerer Mengen Ochsen einsetzen wollen. Die liefern dann den Kuhdung gleich mit. Die Lehmtreter werden dann zum Ziegelmachen trainiert. Kagnew, der Watchman vom Energy Office kommt dazu und macht freiwillig mit. Unsere kleine Fabrik kommt in Schwung. Christoph legt hier deutsches Arbeitstempo vor. Die Äthiopier sind sehr beeindruckt und machen freudig mit.

Montag: Wir werden alleine mit Menschenkraft unser Programm nicht durchziehen können und haben deshalb beschlossen, Arbeitstiere einzusetzen: Am Morgen macht sich eine kleine Karawane von 6 Eseln auf den Weg zur Lehmgrube und trägt Säcke mit Lehm zum Energy Office. Das wiederholen die Esel an diesem Tag noch zweimal. Unterdessen lassen wir unsere Arbeiter im Office eine ringförmige Grube ausschaufeln. Die Werkhalle wird für die Lagerung von annähernd 1000 Ziegeln freigeräumt und der Tukul neben der Cafeteria wird entrümpelt. Dort soll der Standort des ersten Ofens sein. Insgesamt haben wir jetzt sieben Leute beschäftigt, drei Frauen und vier Männer. Alle haben reichlich zu tun. Am Abend ist alles vorbereitet für das große Mischen.

Dienstag: Die Esel sind schon ganz früh am Morgen beladen worden und treffen bei Arbeitsbeginn im Energy Office mit einer weiteren Fuhre Lehm ein. Drei davon schicken wir wieder zum Lehm holen, drei bleiben hier und sollen uns als Mischmaschinen dienen. Die ringförmige Grube wird jetzt Schicht für Schicht mit einer genau abgemessenen Mischung aus Lehm, Sand, Kuhdung und Stroh gefüllt. Nach jeder Schicht dürfen die drei Esel ihre Runden in der Grube drehen und die Mischung durchstampfen. Hört sich einfach an, ist in der Realität ein wenig komplizierter weil den Eselchen die Einsicht für das Ziel ihrer Tätigkeit in der Grube fehlt und sie lieber überall hin, nur nicht im Kreis laufen wollen. Ein Esel trabt rechts-, die anderen beiden linksherum, dann bildet sich ein Eselknäuel, dann rennt wieder einer geradeaus davon. Erst mit der Zeit gewöhnen sich Mensch und Tier an die Aufgabe, ein gewisses Maß an Ordnung wird erkennbar. Bis zum Abend gelingt es uns, die Grube bis zum Rand mit einer recht gleichmäßig gemischten Masse zu füllen, die wir sorgfältig mit Plastikplane abdecken damit sie bis zum nächsten Morgen in Ruhe durchziehen kann.

Tags darauf können wir zwei Ochsen beschaffen, die einen Vormittag lang die Mischarbeit übernehmen. Mit stoischer Ruhe ziehen sie ihre Runden durch die Grube. Nach einigen Umdrehungen scheinen sie verstanden zu haben, dass es immer im Kreis herum geht und trotten gleichmäßig vor sich hin als hätten sie noch nie etwas anderes getan. Kein Vergleich zum Eselchaos vom Vortag. Wegen ihres größeren Gewichts sind sie auch viel wirkungvoller als die leichten Eselchen. Gegen Mittag haben wir den Eindruck, dass die Mischung perfekt ist und entlassen die Ochsen in die Wiese nebenan. Die Arbeiter werden jetzt in der Kunst des Ziegelmachens unterwiesen. Inzwischen besitzen wir vier Ziegelformen, so dass parallel an vier Stationen gearbeitet werden kann.

Am frühen Nachmittag sind alle so weit angelernt, dass wir sie alleine Ziegel formen lassen können. Christoph kann nun mit dem Bau des ersten Ofen beginnen. Schon bald ist der erkennbar, was hier entsteht. Das errregt die Aufmerksamkeit der Angestellten des Energy Office und wir haben laufend Gesellschaft im Tukul. Wieder eine Gelegenheit für Katharina, mit Video und Photos zu erläutern, was wir hier treiben.

Entwicklung und Ofenbau

Bis Donnerstag Mittag hat Christoph den Ofen fertig. Nur der Kamin ist vorläufig noch halb hoch weil uns die Steine ausgegangen sind. Das Prinzip des Ofens: Über der Feuerstelle ist die Platte zum Injera-Backen, der sogenannte Met’ad. Die heiße Abluft wird unter einem zweiten Kochplatz zum Kamin geführt, so dass parallel zu Injeramachen auf dem Topf gekocht werden kann. Injera wird nur etwa zweimal in der Woche zubereitet. An den anderen Tagen soll der Met’ad durch eine Platte mit Loch in der Mitte ersetzt werden. In diesem Loch sitzt dann ein Topf, der direkt befeuert wird. Der andere Topf wir wie bei der Injera-Konstellation als Zweitkochstelle genutzt.

Injera ist ein weiches Fladenbrot aus gesäuertem Teig aus Teff, einer endemischen Getreidesorte aus Äthiopien, und stellt die Hauptnahrungsquelle der Äthiopier dar. Es darf bei keinem Essen fehlen. Der Met’ad ist eine flache Scheibe aus gebranntem Ton mit einem Durchmesser von etwa 64cm.

Schon während des Baus kommen laufend Angestellte des Energy Office und diskutieren mit uns. Es tritt genau das ein, was wir uns erhofft haben: Unsere Aktionen und das Ergebniss wecken die Neugierde der Leute, wir kommen mit ihnen ins Gespräch und erhalten wertvolle Hinweise. Noch bis in den Nachmittag hinein geht das so.

Heute ist der Feiertag Meskel. Nach dem Glauben der orthodoxen Christen wurde das Original-Kreuz, an dem Jesus gestorben ist, im 4. Jahrhundert von Kaiserin Helena aufgefunden und nach Äthiopien gebracht. Der Jahrestag dieses Ereignisses wird heute gefeiert. Am Nachmittag stellen die Gemeinden aus Alem Katema und Umgebung auf einem Platz in der Stadt lange Holzstangen zu einem spitzen Kegel auf. Wer die längste Stange platziern kann ohne dass das Gebilde einstürzt, hat gewonnen. Unterdessen liest der Priester eine lange Lithurgie. Bei Anbruch der Dunkelheit tanzen einige Gruppen mit Fackeln und Stöcken. Dann fällt die Menge ein und kreist tanzend mit Lichtern in der Hand um den Kegel, der dann angezündet wird. Irgendwann fällt er dann um – nicht ganz ungefährlich für die Umstehenden. Die Richtung, in die er dabei zeigt, bezeichnet die Gegend, in der in diesem Jahr die besten Ernten zu erwarten sind.

Im Energy Office haben wir am folgenden Tag viele Neugierige, die den ersten Ofen begutachten und ihre Meinung dazu abgeben. Wir erfahren, dass die Frauen den  Met’ad möglichst selten bewegen wollen, damit er nicht bricht. So kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir einen Ofen anbieten müssen, der über einen stationären Met’ad und zusätzlich mehrere Kochstellen verfügt. Wir entwickeln einen Ofen mit 3 Kochstellen und festem Met’ad, der eine relativ kompakte Bauweise aufweist. Solch einen Prototypen bauen wir im Energy Office auf.

Während des Baus, bei dem wir viel herumprobieren und der deshalb recht zeitaufwendig ist, bekommen wir wieder regen Besuch. Sobald sichtbar wird, welche Eigenschaften unser Lehmhaufen einmal entwickeln wird, bekommen wir anerkennende Blicke und verbale Zustimmung. Das ermutigt uns.

Abends haben wir eine Arbeitssitzung mit Abebaw, unserem Übersetzer und Organisator. Wir bieten ihm an, die lokale Koordination zu übernehmen. Katharina hat eine lange Aufgabenliste für ihn vorbereitet, die wir Punkt für Punkt durchgehen. Am Ende sind wir uns einig: Abebaw wird die Aufgaben übernehmen. Wir haben einen Mann vor Ort. Das ist ein entscheidender Schritt nach vorne für das Projekt.

Der gestern so gelobte 3-Loch-Ofen im Energy Office trocknet und wartet auf seine erste Befeuerung. Heute bauen wir diesen Typ in den ersten Privathaushalt ein. Abebaw und seine Familie haben die Ehre, die weltweit ersten Besitzer dieses Ofens zu sein. Während wir für den Prototypen noch viel Zeit in Auf- und Umbauten investieren mussten, geht uns jetzt, da wir nach Plan vorgehen, die Arbeit viel flotter von der Hand.

Dessalegn bekommt den zweiten Ofen eingebaut. Jeder Ofen hat gegenüber seinem Vorgänger konstruktive Verbesserungen. Wir lernen schrittweise dazu. Christoph und ich sitzen oft bis spät in die Nacht zusammen, überlegen, was wir besser machen können und zeichnen Baupläne. Die aktuelle Version des 3-Loch- Ofens taufen wir „Christos 2.3“. Die Äthiopier kennen den Namen Christoph nicht und rufen ihn deshalb alle „Christos“. Ich werde meistens „Franka“ genannt.

Heute wird auch Abebaws Ofen zum ersten Mal befeuert. Als der Rauch zum Schornstein herausquillt und die Küche sauber bleibt, gibt es ein großes Hallo. Nachbarn und Freunde kommen vorbei und bestaunen die Sensation. Der weltweit erste Lehmofen vom Typ Christos ist in Betreib gegangen.

Als nächstes wollen wir noch einen Ofen in einen traditionellen Tukul einbauen. Die Gemeinde bestimmt eine Familie am Ortsrand. Beim ersten Anblick scheint das Gebäude einsturzgefährdet und wir haben Zweifel, ob es sinnvoll ist, hier kurz vor dem Zusammenbruch noch einen Ofen aufzustellen. Die Besitzerin versichert uns jedoch, dass der Tukul schon lange in Schieflage und doch stabil ist. Wir sind beeindruckt, wie gepflegt und sinnvoll die Einrichtung bei aller Beschränktheit der Mittel ist. Es ist schwierig, in dem engen Raum einen Platz für den Ofen zu finden, aber die Familie ist zu allen Veränderungen bereit. So beschließen wir, die Schlafecke für den Ofen zu nutzen. Wenn dann die alte Feuerstelle entfernt wird, ist auch wieder Platz fürs Bett.

Heute stößt Johannes zu uns. Er will uns hier in Alem Katema unterstützen. Es ist geplant, dass er nach unserer Abreise noch einige Tage bleibt um das Feedback der Ofenbesitzer einzusammeln.

In der folgenden Nacht geht ein kräftiges Gewitter mit Starkregen herunter. Eigentlich wollten wir heute im Tukul beginnen, aber im Energy Office erleben wir eine böse Überraschung: Die Werkhalle in überflutet und die meisten unserer dort gelagerten Lehmziegel stehen mehrere Zentimeter hoch im Wasser. Der Vormittag vergeht mit der umfangreichen Rettungsaktion und dem Trockenlegen der Halle. Unsere 6 Arbeiter haben alle Hände voll zu tun. Die Versicherung aller Einheimischen, dass es um diese Jahreszeit eigentlich gar nicht mehr regnen sollte, ist für uns nur ein schwacher Trost. Bestandsaufnahme am Ende der Aktion: Wir haben über hundert Ziegel verloren, aber mit den geretteten wird es uns gelingen, noch zwei Öfen zu bauen.

Der Regen hält den ganzen Tag über an und macht nur ab und zu eine kleine Pause. Er verwandelt Alem Katema in eine Schlammgrube. Bei jedem Schritt wird die Dreckschicht unter den Sohlen dicker und wir gehen auf Plateausohlen durch die Gegend. Der lehmige Boden hat eben auch seine Nachteile …

Zu der am Nachmittag angesetzten Demonstration des 3-Loch-Ofens im Energy Center kommen trotzdem viele Leute, darunter Vertreter des Krankenhauses, der Chef des Agricultural and Energy Office und der Bürgermeister. Es wird viel diskutiert. Wir bekommen Zuspruch von allen Seiten und Versicherungen, dass wir Ünterstützung bekommen, wann immer wir sie brauchen.

Die Arbeiten im Tukul beginnen mit einem Tag Verspätung. Es ist zwar immer noch bewölkt und nachts gab es wieder einen kräftigen Schauer, aber ansonsten hat der Regen aufgehört. Die Besitzerin des Tukuls freut sich offensichtlich ganz außerordentlich und empfängt uns mit Handkuss – wörtlich. Alles ist vorbereitet. Während des Baus werden wir nach Kräften versorgt: Wir bekommen Injera mit Shiro aus uns unbekannten aber sehr wohlschmeckenden Hülsenfrüchten und Bunna (Kaffee), der wie hier üblich, sensationell gut ist. So viel Bemühen bei aller Armut ist wirklich rührend und motiviert uns, die Belastungen für die Familie so gering wie möglich zu halten. Wir sparen Wasser, das über einen Weg von einer halben Stunde herbeigetragen werden muss und bringen das Holz zum Anfeuern selbst mit. Auch ein paar Bananen zum Nachtisch werden gerne angenommen.

Unsere Anwesenheit hat sich natürlich herumgesprochen. Immer wieder kommen Nachbarn, Bekannte und Verwandte vorbei und bestaunen die Weißen, die in der Hütte herumwerken. Sie fragen sich sicher, was hier passiert. Morgen werden sie es sehen …

Tags darauf wird der Ofen im Tukul zum ersten mal befeuert. Wie immer bei einem noch feuchten Ofen ist der Start schwierig. Als aber am Ende ein Feuer brennt und der Rauch sich nicht im Innenraum verbreitet sondern ordentlich durch den Schornstein nach draußen abzieht, ist die Freude riesig. Ab morgen wird die Familie regelmäßig auf dem Ofen kochen und Injera zubereiten können. Wir sind jetzt bei der Version 2.4 und in den Köpfen reift schon Christos 2.5.

Zur Belohnung gönnen wir uns einen freien Nachmittag und unternehmen eine kleine Wanderung auf die Anhöhe über dem Ort. Hier auf Plateau, etwa 300m über Alem Katema, findet man kleine Ansiedlungen, eingebettet in grüne Getreidefelder und kleine Waldstücke. Holprige Pfade verbinden die Dörfer, es gibt keine Autos und Plastiktüten und die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen. Am Rande des Plateaus sitzend genießen wir den Blick über die Steilabbrüche und die großzügigen Flusslandschaften unter uns.

Noch kein Ende

Für Katharina und mich wird es Zeit, wieder nach Addis Ababa zurückzukehren. Der Flieger nach Hause winkt schon mit den Flügeln. Johannes und Christoph werden noch ein paar Tage hier bleiben. Wir haben beschlossen, dass sie den letzten Ofen in einem der Restaurants im Ort aufstellen. Hier wird er den ganzen Tag über intensiv genutzt und wir werden Erfahrungen zur Standfestigkeit gewinnen. Bei BMW hätten wir das Dauerlauftest genannt: Viele Kilometer in möglichst kurzer Zeit.

Danach wollen Johannes und Christoph ein paar Tage zu Fuß die Umgebung von Alem Katema erkunden. Das wird uns helfen, die Lebensbedingungen und Ofenbedürfnisse der Menschen außerhalb der Kleinstadt Alem Katema noch besser kennen zu lernen.

Fazit: Jetzt stehen zwei Demonstrationsöfen in Energy Office, drei Testöfen in Privathaushalten, ein Ofen im Restaurant ist in Arbeit. Mit Abebaw und Johannes haben wir den Feedbackprozess definiert und angestossen. Die Vorbereitungen für das Training sind definiert und können gestartet werden, sobald die Projektentscheidung durch den Vorstand fällt. Johannes wird sich darum kümmern, dass die Kommunikation nach Deutschland verbessert wird und wir regelmäßig mit Ababaw Kontakt haben.

Wenn die Ofenmacher beschließen, dass wir das Projekt in Äthiopien weiter verfolgen, werden wir im Frühjahr wieder hier sein und die ersten Lehmofenbauer in Äthiopien ausbilden. Und wir werden das sehr gerne tun.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.